Den Abschied begleiten…

Als Psychoonkologin und Sozialpädagogin betreue ich unsere Patienten und deren Zugehörige psychosozial. Im Wesentlichen bedeutet das für mich: Zuhören. Raum schaffen für Unaussprechliches, Unausgesprochenes und oft auch Unverdautes. Und gleichzeitig auch für Erinnerungen, für Lachen und Leben.

Letztlich durfte ich einen von mir schon länger betreuten Patienten nochmals auf der Palliativstation besuchen. Er hatte sich meinen Besuch gewünscht. Als ich ankam, ging es ihm merklich schlechter. Er lag in seinem Bett und sagte mir, er warte auf das Sterben. Wir wechselten noch ein paar Sätze, dann fielen ihm vor Erschöpfung die Augen zu. Und ich? Ich saß an seinem Bett und spürte hautnah, was mir oft von Angehörigen berichtet wird: „Was macht man am Bett eines Sterbenden?“. Auch ich musste mich erst auf die Situation einlassen. Ich wollte nicht einfach gehen, aber war es sinnvoll, hier „einfach zu sitzen“? Was hatte der Patient von meiner Anwesenheit? Störte ich gar?

Vor der Tür des Krankenzimmers ging das Leben einfach weiter. Man hörte beschäftigte Menschen, Lachen, Türen, die auf- und zugingen.

Ich blieb einfach sitzen. Sah den Menschen im Bett an, versuchte mich dem Rhythmus seiner Atmung anzupassen, war einfach da. Es breitete sich fast eine meditative Stille im Zimmer aus, der Lärm der Welt da draußen verblasste zusehends. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort einfach saß: als Mensch bei ein einem anderen Menschen. Gefühlt ohne Raum und Zeit. Irgendwann kam eine Schwester ins Zimmer. Der Patient öffnete kurz die Augen, sah mich an und meinte: „Jetzt muss ich mich ausruhen“. Ich verabschiedete mich. Lange noch wirkte der Besuch in mir nach. Vielleicht geht es wirklich darum: Einfach da-sein. Nicht mehr – aber auch nicht weniger!

Der Patient ist zwei Tage später verstorben.

 

Sabine Kronauer
Sozialpädagogin (B.A.) und Psychoonkologin (DKG)
Palliativteam Dachau